Interview mit Willem J. Ouweneel (5)

Brüdergemeinde Apeldoorn. Bildnachweis: www.deontmoeting.orgDie Rolle der Brüdergemeinden im 21. Jahrhundert

Frage: Die Veränderungen, die Sie soeben beschrieben haben, wären in der deutschen Brüderbewegung kaum denkbar. Fühlen Sie sich der Brüderbewegung überhaupt noch zugehörig?

Ouweneel: Ja, ich gehöre noch immer zur Brüderbewegung! Obwohl ich auch das nicht gerne sage, denn es ist wieder Schubladendenken. In diesem Punkt stimme ich mit Christian Briem überein, der das Etikett „Brüderbewegung“ vermeidet, wenn auch aus anderen Gründen.

Frage: Sie haben öfter geäußert, dass die Brüderbewegung nicht wichtig sei; entscheidend sei es, zur Schrift, zu biblischen Prinzipien zurückzukehren. Diese Aussage an sich mag für viele schon eine Provokation sein, denn man ist ja allgemein der Ansicht, gerade die „Versammlung“ bemühe sich darum, biblische Prinzipien 1:1 umzusetzen. Sie schreiben dagegen, wenn die Brüderbewegung sich überflüssig machen würde, wäre es gerade in ihrem Sinne, denn sie wollte nie eine Bewegung sein.

Ouweneel: Ja, natürlich!

Frage: Ist also Ihr jetziges überkonfessionelles Selbstverständnis vielleicht das eigentlich Charakteristische der Brüderbewegung?

Ouweneel: Ja, aber in gewisser Hinsicht gibt es die Brüderbewegung schon seit 1848 nicht mehr, als sie in zwei Ideale auseinander fiel. Ich habe das in dem Artikel „Christliche Versammlung – wohin?“ näher analysiert. Wigram sagte 1879, noch bevor die großen Trennungen ausbrachen: „The Brethren are just blowing ecclesiastical bubbles.“ Der „exklusive“ Flügel der Brüderbewegung hat inzwischen alle Kennzeichen einer Sekte: eine starke Führerschaft; ausgeprägte Lehren, die Außenstehende so weder verstehen noch annehmen; Isolation und Zurückgezogenheit; es ist schwer, in die Gruppe hineinzukommen, und wenn man drinnen ist, ist es sehr schwierig, wieder herauszukommen. Das ist alles typisch für eine Sekte! Aber es gibt keine andere Gruppe, die so stolz darauf ist, keine Sekte zu sein. Als ich „Sektiererei“ schrieb, habe ich noch vorsichtiger argumentiert und gewarnt, wir stünden in Gefahr, eine Sekte zu werden. Das war aber schon der schlimmste Vorwurf, den ich hätte machen können. Wenn Christian Briem sagen würde: „Ich gehöre zur Brüderbewegung“, würde er damit zugeben, dass er zu einer Sekte gehört. Deshalb leugnet er das. Wenn ich zögere zu sagen, dass ich zur Brüderbewegung gehöre, geschieht das aus den entgegengesetzten Gründen: Ich verstehe mich, so wie Sie das gerade zusammengefasst haben, als überkonfessionell. Ich predige in allen möglichen Kreisen: in sehr konservativen, manchmal in kirchlichen, manchmal in charismatischen. Überall, wo ich sagen darf, was der Herr mir aufs Herz legt, lasse ich mich gerne einladen. Aber ich schließe mich keiner Bewegung mehr an. Ich bin Mitältester in der Gemeinde in Utrecht, und deshalb versuche ich, wenigstens die Hälfte der Sonntage hier zu sein, aber es gelingt mir nicht immer.

Frage: Welche Merkmale machen denn bei dem Ziel der Überkonfessionalität überhaupt die Identität einer Brüdergemeinde aus?

Ouweneel: Ja, das ist eine gute Frage! Das ist genau der Punkt. Zu Beginn wies die Brüderbewegung ausgeprägte Merkmale auf, die die Unterscheidung leichter machten. Heute fällt die Abgrenzung oft schwer. Manchmal komme ich in evangelische Gemeinden, die keinen Pfarrer haben, nur einen Brüderrat, die jeden Sonntag das Brot brechen, die zwar etwas mehr Struktur in der Zusammenkunft haben (aber das haben wir mittlerweile auch), wo es Zeiten gibt, wo Brüder und Schwestern sich in Gebeten äußern dürfen (auch das dürfen sie bei uns inzwischen) – wo ist da noch der Unterschied? Ich weiß es nicht. Manchmal haben solche Gemeinden auch eine klare vollzeitliche Führungspersönlichkeit, aber deren Dominanz ist nicht so stark wie in den Kirchen; ein Brüderrat oder Ähnliches spielt eine große Rolle. Die Unterschiede verschwimmen also. Darauf kann man reagieren, indem man sagt: „Dann ziehen wir uns in die Isolation zurück, sodass wir den Anschein aufrechterhalten können, dass wir doch etwas Besonderes sind, anders als die anderen.“ Und das ist man dann auch, gerade durch die Isolation.

Als ich Student war, hielt eine Frau aus der deutschen Studentenmission einen Vortrag an der Universität in Utrecht, in dem sie sagte: „Bei uns arbeiten Leute aus allen Kreisen mit, sogar von den Exklusiven; das will schon etwas heißen.“ Da wurde mir plötzlich bewusst: Damit sind wir gemeint! So denkt und redet man also über uns! Das war mir vorher nie so bewusst gewesen. Man sah in uns eine ganz isolierte, zurückgezogene Gruppe. Sie hatte Recht! Diese Abgeschiedenheit ist auch der Grund, warum Fritz Aberham glaubte, alle Gläubigen in Wien zu kennen, aber dann feststellen musste, dass er von der „Versammlung“ noch nie etwas gehört hatte. Im Nachhinein schäme ich mich, ehrlich gesagt, fast, Teil so einer Gruppe gewesen zu sein.

Frage: Haben die niederländischen Versammlungen das ursprüngliche Selbstverständnis der Brüderbewegung, keine organisierte Gemeinschaft zu sein – keinen Namen, keine eingetragene Mitgliedschaft, keine benannten Ältesten zu haben usw. –, inzwischen aufgegeben, sodass sie sich jetzt durchaus als freikirchliche Gemeinden verstehen, oder ist von diesem organisationsfeindlichen Denken noch etwas übrig geblieben?

Ouweneel: Ja, das ist eine interessante Frage: Was genau ist mit uns geschehen? In den vergangenen 10 Jahren haben sich nicht nur die Gemeinden in Utrecht und in Apeldoorn (wo Henk Medema und ich sind), sondern auch die anderen Gemeinden stark verändert. Das war ein ganz natürlicher Prozess, es lief wie von selbst, auch in Gemeinden, in denen überhaupt keine bekannten Brüder sind. Natürlich gibt es auch winzige Versammlungen, die von der Landkarte verschwinden; es gibt andere, die sich dem konservativeren Flügel angeschlossen haben, aber bei zahlreichen Gemeinden kann man davon ausgehen, dass sie, wenn der Herr noch nicht kommt, in 20 Jahren noch bestehen. Sie sind lebendig, machen viel für die jungen Leute, haben besondere Zusammenkünfte, haben einen Brüderrat in irgendeiner Form, es dürfen mittlerweile auch die Schwestern beten oder Lieder vorschlagen, und man evangelisiert. Sie sehen also verheißungsvoll aus, man kann noch einiges von ihnen erwarten. Aber nach wie vor werden die Zusammenkünfte nicht geleitet, es sind wie üblich freie Beiträge, und das Mahl des Herrn wird jeden Sonntag gefeiert. Diese Gemeinden verstehen sich als „Versammlungen“, so nennen sie sich auch. Brüdergemeinde Utrecht. Bildnachweis: www.vergadering.nuMeine Heimatgemeinde in Utrecht nennt sich zum Beispiel „Eykpuntgemeente“ (Eykpunt ist der Name; was das heißt, ist für deutsche Ohren schwierig zu erklären) und dann in Klammern: „Vergadering van gelovigen“ (Christliche Versammlung). Wir schämen uns unserer Identität also nicht, aber meistens sage ich lieber: „Ich gehöre zur Eykpunt-Gemeinde.“ Da weiß man: OK, das ist eine dieser vielen blockfreien evangelikalen Gemeinden, die es in Holland gibt. Besondere Prägung: von ihrem Ursprung her „Versammlung“.

Frage: Der Gedanke eines „circle of fellowship“, also eines geschlossenen Gemeinschaftskreises, wurde demnach völlig aufgegeben?

Ouweneel: Ja. Bei uns läuft es folgendermaßen: Jeder Gottesdienstbesucher bekommt ein Informationsblatt mit Terminen und Nachrichten für die kommende Woche; darin steht eine einladende Passage: „Wenn du ein Kind Gottes bist und einer Gemeinde angehörst und in Frieden mit deinen Mitgeschwistern lebst, bist du herzlich willkommen, hier auch am Brotbrechen teilzunehmen. Und wenn du Fragen hast, komm bitte zu uns.“

Frage: Das Verständnis der Rolle der Frau in den Zusammenkünften hat sich ja in den Niederlanden auch stark gewandelt.

Ouweneel: Ja. Bei uns ist es jetzt so, dass Frauen seit dem 1. Januar Lieder vorschlagen dürfen, wovon sie auch bescheiden Gebrauch machen. Wir haben das vorher jahrelang in der Gemeinde besprochen; es dauerte eine Weile, bis die negativen Kräfte sich mehr oder weniger damit versöhnt hatten. Jetzt haben wir bekannt gegeben, dass Frauen ab September auch laut beten dürfen. Ich weiß schon, dass davon sehr wenig Gebrauch gemacht werden wird. Aber grundsätzlich sind Frauen gleichberechtigt. Nur predigen sie nicht und können nicht Älteste werden.

Frage: Noch nicht? Oder soll das so bleiben?

Ouweneel: Das weiß ich nicht. Ich kenne die Zukunft nicht. Ich glaube nicht, dass sich das in meiner Lebenszeit noch ändern wird. Das würde mich wundern. Vielleicht ändert sich das, wenn ich kein Ältester mehr bin und eine jüngere Generation nachkommt. Wenn die das so sieht und überzeugende Argumente dafür anführen kann, würde ich mich nicht widersetzen. Aber ich selbst werde diese Frage nicht anfachen, denn ich habe damit auch Mühe, ich bin von beiden Positionen nicht restlos überzeugt.

Frage: Gelten diese genannten Regelungen über die neue Rolle der Frau für alle ehemals „geschlossenen“ Versammlungen in den Niederlanden?

Ouweneel: Nein, aber die Gruppe der Versammlungen, wo Schwestern sich beteiligen können, wird immer größer. Das wird sich von selbst weiterentwickeln; ich nehme an, dass in 10 Jahren die Hälfte der Versammlungen diese Regelung angenommen haben wird. Aber ich bin nur ein ganz kleiner Prophet, ich kann das natürlich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Eine Gruppe von intelligenten jungen Geschwistern wollte etwas tiefer in diese Materie einsteigen; ich habe ihnen zehn Kommentare (meist auf Englisch) kopiert, die wir jetzt gemeinsam studieren. Diese Geschwister sagen: „So haben wir es bisher noch nie gesehen. Wir wissen noch nicht, ob wir damit einverstanden sind, aber wir wollen uns doch nicht dagegen wehren.“

Frage: Wie kam denn dieses theologische Umdenken über die Beteiligung der Frau überhaupt zustande?

Ouweneel: Wenn in der ganzen Gesellschaft Männer und Frauen immer mehr gleichberechtigt sind, fragt man sich irgendwann: Verstehen wir die Bibel in diesem Punkt richtig? Stimmt es wirklich, dass die Bibel einen so großen Unterschied macht? Kann man dieses heikle Thema durch zwei Bibelverse, die in ihrer Bedeutung auch noch fraglich sind, entscheiden? Was heißt „schweigen“ überhaupt? Ist absolutes Schweigen gemeint? Warum dürfen Frauen dann mitsingen (das durften Frauen früher in der katholischen Kirche nämlich auch nicht)? Warum dürfen Frauen dann „Amen“ sagen? Wer entscheidet, wo das Schweigen aufhört und was das nun genau bedeutet? Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen: „Schweigen ist Schweigen“; aber das ist natürlich Blödsinn. Es steht in diesem Zusammenhang dreimal „schweigen“ in der Bibel, und immer ist ein nuanciertes, ein definiertes Schweigen gemeint (zum Beispiel: „Wenn ein anderer aufsteht, lass den Ersten schweigen“). Viele Schwestern werden sich ohnehin nie beteiligen, aber viele Brüder haben das bisher auch nicht gemacht.

Frage: Also beziehen Sie das Schweigen nur auf das Predigen?

Ouweneel: Ja, sicher. 1. Timotheus 2 über das Lehren der Frau ist schwierig zu verstehen. Aber die Sache ist auch nicht nur rational. Es ändert sich auch psychologisch immer mehr: Man gewöhnt sich daran, Frauen predigen zu hören (meine eigene Tochter wechselt sich bei ihren Aktivitäten in der Fellowship mit ihrem Mann ab, bei Frauentagungen predigen immer ein Mann und eine Frau), und dann fragt man sich manchmal: „Warum waren wir eigentlich dagegen? Was waren noch mal die Gründe?“

Frage: Gilt das Lehrverbot für Frauen auch für schriftliche Arbeit (zum Beispiel für das Schreiben von Bibelkommentaren)?

Ouweneel: Damit habe ich keine Probleme. Das hat mit Lehren nichts zu tun. Lehren findet da statt, wo ein Guru Jünger um sich versammelt; Lehren und Führen sind miteinander verbunden. Vielleicht ist meine Sicht etwas altmodisch, aber ich glaube, dass es auch weniger in der Natur der Frau liegt, Bücher mit trockener Exegese zu schreiben, die gar nicht auf das Leben bezogen ist. Frauen schreiben viel praktischer, auch wenn sie sehr intelligent sind. Die trockene Exegese ist eine männliche Erfindung. Deshalb ist die Kirche in der Vergangenheit auch so schief gewachsen, weil der weibliche Beitrag so vernachlässigt wurde, weil die Ergänzung, der Gegenpart fehlte.

Frage: Das Argument spräche dafür, dass Frauen auch Älteste werden sollten.

Ouweneel: Es gibt Gemeinden, wo man keine weiblichen Ältesten haben will, aber Ältestenpaare als Ehepaare einsetzt. Die Männer sind offiziell Älteste, aber ihre Frauen arbeiten ebenfalls voll mit. Problematisch finde ich dabei, dass man, wenn man die Frauen einzeln ausgewählt hätte, nicht unbedingt immer die Frauen dieser Ältesten genommen hätte. Das ist das Ungesunde daran, dass sie mit hineingezogen werden, weil sie die Frauen der Ältesten sind, nicht wegen ihrer eigenen Qualitäten.

Grundsätzlich ist die Einbeziehung der weiblichen Perspektive sehr nützlich und wertvoll. Ich bespreche auch vieles, womit wir uns als Älteste beschäftigen, mit meiner Frau, und manchmal gibt sie gute Gedankenanstöße, die ich weiter verarbeite.

Frage: Das heißt, in den niederländischen Versammlungen hat sich doch eine Menge geändert in den letzten Jahren.

Ouweneel: In Deutschland weiß man vielfach gar nicht, was hier abseits von theologischen Fragen praktisch passiert. Gott ist in diesem Land wirklich am Werk! Wir haben hier gewaltige Zusammenkünfte. Wir haben jedes Jahr zu Pfingsten eine große christliche Konferenz, wo dieses Jahr 50.000 Christen waren. Dieses und letztes Jahr durfte ich zu den jungen Leuten (1000 bis 2000 junge Leute zwischen 18 und 25) über Nachfolge reden, sechs Stunden lang. Da ist ein Hunger nach Gottes Wort vorhanden! Da passiert etwas Gewaltiges. Letzten Samstag war ich auf einem christlichen Pop-Festival und habe vor ca. 1000 jungen Leuten über Okkultismus und über Befreiung gesprochen. Jedes Jahr haben wir einen Jugendtag mit 32.000 jungen Leuten, wo ich voriges Jahr mit einem anderen Bruder sprechen durfte. Es ist hier so gewaltig viel im Gange, dass man es mir nicht übel nehmen darf, wenn ich sage: Lass die lieben deutschen Brüder weiter auf der Stelle treten und sich untereinander bekämpfen, der Herr bleibt nicht stehen. Kennen Sie den Ausdruck „Die Hunde bellen, und die Karawane zieht weiter“? Genauso ist das hier. Das ist nicht überheblich gemeint, aber in Holland sehen wir die Wirksamkeit des Geistes, in Deutschland herrscht der Bruderkrieg. Die deutschen Brüder sitzen auf ihrer kleinen Insel und wissen gar nicht, was los ist, was anderswo alles geschieht. Bei ihnen geschieht überhaupt nichts! Man wiederholt einfach weiter die alten, vertrauten Sätze.

Frage: In Deutschland ist man in der Tat viel mit sich selbst beschäftigt, die Angst vor Verunreinigung spielt bei den „geschlossenen Brüdern“ eine große Rolle. Man hat Bedenken, neue Leute einzubeziehen, weil sie neue Ideen haben könnten. Man will möglichst wenig Veränderung.

Ouweneel: Natürlich! Mit neuen Menschen strömen neue Ideen hinein. Als ich vor Jahren einmal auf der Konferenz in Hückeswagen vor 1200 Brüdern einen Gedanken geäußert hatte, sagte Walter Briem (zu dem ich eigentlich ein gutes Verhältnis hatte, weil er humorvoll und natürlich war) laut und ohne aufzustehen: „Dieser Gedanke ist mir ganz neu.“

Frage: „Neu“ bedeutete automatisch: falsch.

Ouweneel: Ja, der Gedanke konnte gar nicht richtig sein. Für die meisten Brüder war das ein Zeichen, dass man diesen Gedanken vergessen konnte, er war Unsinn.

Frage: In Deutschland sperren sich aber nicht nur die „geschlossenen Brüder“ gegen Erneuerungen; auch in der heterogenen „blockfreien“ Gruppe wollen viele nichts mehr von dem wissen, was Sie tun und was in Holland passiert. Einzelne würden Sie vielleicht noch zu Vorträgen einladen, für andere sind Sie ein rotes Tuch.

Ouweneel: Ja, das ist sehr traurig. Wir haben in Holland dieses Anti-Denken, diese Kluft zwischen Charismatikern und Anticharismatikern nie so gekannt. Es ist bedauerlich, dass sich manche Gruppen immer mehr in die Enge zurückziehen, aber das ist nicht nur typisch „Brüder“, das ist einfach menschlich.

Frage: Ist die Tatsache, dass sich die niederländischen Versammlungen zum allergrößten Teil in die „progressive“ Richtung entwickelt haben, nicht vor allem darauf zurückzuführen, dass Sie und andere führende Persönlichkeiten in diese Richtung gingen, während die Führer in Deutschland eben alle konservativ waren?

Ouweneel: Nein, man hat nicht so sehr auf uns gesehen. Das Einzige, was die Versammlungen zu tun hatten, war, den Brief aus Den Helder in die Mülltonne zu werfen. Weiter nichts. Es ging nicht darum, Führern nachzufolgen, sondern sie haben einfach nicht auf den Brief reagiert. Ansonsten blieb man einfach, wo man war.

Frage: Aber selbst wenn man blieb, wo man war, blieb nicht alles, wie es war: Innerhalb der Versammlungen haben in den letzten 10 Jahren, wie Sie bestätigt haben, ziemlich starke Veränderungen stattgefunden.

Ouweneel: Ja, aber damit sind auch nicht alle glücklich. Natürlich hat sich sofort ein neuer rechter Flügel gebildet. Aber wir pflegen immer noch gute Beziehungen, auch wenn wir über manche Dinge verschieden denken. Sicher, dass sich jetzt hier und dort die Schwestern beteiligen, ist manchen ein Dorn im Auge. Aber wenn jetzt eine Versammlung sagen würde: „Wir sind nicht mehr mit Utrecht in Gemeinschaft“, würde das keinen großen Wirbel mehr verursachen. Früher hätte das automatisch bedeutet, dass jetzt alle wählen müssten, auf welcher Seite sie stehen.

Frage: Wie ist es mit der alten Grenze zwischen „geschlossenen“ und „offenen Brüdern“?

Ouweneel: Die ist auch weg. Wir haben uns hier mit der Nachbarversammlung zusammengetan, das war eine „offene“ Versammlung. Wir haben über die Unterschiede gesprochen, und da diese minimal waren, sind wir brüderlich zusammengegangen. Der Ältestenrat besteht aus sieben Brüdern, drei von ihnen und vier von uns, aber die Herkunft spielt schon überhaupt keine Rolle mehr.

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