Geschichte: Irland und Großbritannien

Anfänge in Dublin 1827–1829

Anthony Norris GrovesDie deutsche Brüderbewegung ist ohne ihre Vorläufer in Irland und England nicht zu verstehen. Dort kam es Anfang des 19. Jahrhunderts zu einer Erweckungsbewegung. Viele bekehrten sich, missionarische Kreise schossen wie Pilze aus dem Boden, und auch die Erwartung der Wiederkunft Jesu war überall zu spüren.

In einem Teil dieser Kreise entstand der Wunsch, auch mit Christen anderer Denominationen gemeinsam das Abendmahl zu feiern. So geschah es auch ab Mitte der 1820er Jahre in Dublin. Mehrere junge Christen, darunter der Adlige John Vesey Parnell, der Medizinstudent Edward Cronin, der Zahnarzt Anthony Norris Groves und der Jurist John Gifford Bellett, trafen sich in kleinen Gruppen zum gemeinsamen Brotbrechen außerhalb des kirchlichen Gottesdienstes. Auch in Großbritannien gab es ähnliche Entwicklungen. Diese kleinen Gruppen sollten zur Quelle einer überall aufbrechenden Einheitsbewegung, eben der Brüderbewegung, werden.


John Nelson Darby

John Nelson DarbyEntscheidende Bedeutung für die weitere Entwicklung erlangte ab 1830 John Nelson Darby. Darby war gelernter Jurist, hatte aber aus Glaubensgründen eine vielversprechende Karriere aufgegeben und sich dem Priesterberuf in der anglikanischen Kirche zugewandt. In diesem Dienst durchlitt er große Glaubenszweifel, insbesondere in der Frage, wie er als sündiger Mensch vor einem gerechten Gott bestehen könne. 1827 erlebte er im Alter von 27 Jahren eine Durchbruchserfahrung. Er erkannte im stellvertretenden Opfer Jesu Christi die Antwort auf seine Fragen. Dieses Erlebnis hatte Ähnlichkeiten mit dem sogenannten Turmerlebnis Martin Luthers, bei dem er den gnädigen Gott erkannte, der die Sünder aus Gnade ohne Werke errettet.

Im Anschluss an diese existenzielle Gotteserfahrung sehnte sich Darby nach der Einheit der Gemeinde Jesu. Bald traf er auf die Gruppe um Bellett, die mit ihm außerhalb der offiziellen Kirche das Brot brach. Die Gemeinschaft der wahren Gläubigen am Tisch des Herrn jenseits aller Kirchen und Freikirchen wurde das Ideal dieser Männer und Frauen der frühen Brüderbewegung. Überall in Irland und England entstanden damals solche Versammlungen, die sich bemühten, die „Einheit des Leibes Christi“ im gemeinsamen Abendmahl umzusetzen. Ein wichtiges Zentrum war ab 1832 die Stadt Plymouth, weshalb die Brüdergemeinden lange Zeit auch als „Plymouth Brethren“ bekannt waren.


Georg Müller, der Waisenvater von Bristol

Georg MüllerZu diesen missionarisch orientierten Versammlungen gehörte auch eine Gruppe in Bristol, die von Georg Müller und Henry Craik geleitet wurde. Müller hatte sich nach einer bewegten Jugend 1825 in einem Hauskreis in Halle an der Saale bekehrt und ging kurze Zeit später nach England. Innerhalb weniger Jahre baute er hier ab 1836 eines der größten Diakoniewerke auf, die berühmten Waisenhäuser von Bristol. Müller vertraute sein Leben lang auf die Versorgung durch den Herrn und bat niemals öffentlich um Spenden. In der sogenannten Bethesda-Kapelle in Bristol versammelte man sich ab 1832 im Sinne der frühen Brüderbewegung.


Trennungen

1848 kam es in der englischen Brüderbewegung zu einem tragischen Konflikt über die Frage, ob Gläubige nur persönlich frei von Irrlehren sein müssen oder ob sie auch jede Verbindung mit Irrlehrern abbrechen müssen. Die Gruppe um Georg Müller in Bristol ging den strengeren Weg Darbys nicht mit. Man nannte sie später die „Open Brethren“, also die „offenen Brüder“. Die Versammlungen um Darby wurden als „exklusive“ oder „geschlossene Brüder“ bekannt. Diese grundsätzliche Trennung hat in der Brüderbewegung bis heute Bestand. Weitere Spaltungen in England machten das Bild noch komplizierter und standen im Widerspruch zum Ziel der Einheit der Gläubigen. Aus einer Bewegung der Einheit war eine Bewegung der Zersplitterung geworden.

Bei aller heutigen Verwunderung über die Trennungen in Großbritannien muss gesagt werden: Der Einsatz dieser ersten Generation von Anhängern der Brüderbewegung war vorbildlich. Besonders Darby hat durch eine rastlose Reisetätigkeit und durch einen beispielhaften Einsatz die Brüderbewegung weltweit ausgebreitet.


Hier erfahren Sie mehr über die Situation in Deutschland.


Dieser geschichtliche Überblick entstand ursprünglich für eine PowerPoint-Präsentation zur Jubiläumsveranstaltung „150 Jahre Brüderbewegung in Deutschland“ am 18. Oktober 2003 in Dillenburg. Text: Stephan Holthaus unter Mithilfe von Susanne Borner, Gerhard Jordy, Andreas Liese, Ulrich Müller und Michael Schneider.

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